Hongkong Tagebuch 07.10.02

Heute sollte der Tag der großen Zugfahrt nach Shanghai werden. 25Std. lagen vor mir. Ein bisschen Bammel hatte ich schon.
Also raus aus den Federn und Sachen packen. Dann mit der Metro Richtung Kowloon. Bin ein bisschen frueher los gefahren, damit ich noch ein Stuendchen durch Mongkok bummeln konnte, dort soll es angeblich das eine oder andere Schnaeppchen geben. Leider war nichts so tolles dabei, außer ein paar guenstigen Handys, demnaechst werde ich wohl mal zuschlagen, damit ich auch am taeglichen Leben teilnehmen zu kommen.
So bin ich dann recht flott zum Bahnhof gefahren um den Zug auf keinen Fall zu verpassen. Dort angekommen konnte ich gleich einchecken und nahm erstmal etwa eine halbe Stunde im Warteraum platz, bevor man den Zug betreten durfte. Das war schon ein Spektakel als sich die Tueren oeffneten. Obwohl jeder doch seine Platzkarte hatte, stuermten die Leute los, als waeren die Plaetze limitiert. Bin dann auch losgeschlendert und habe mein Abteil betreten. Dort saßen schon drei Damen auf dem Bett und hielten Verzaellsche. Ich habe mich erstmal oben in mein Bett gepflanzt und habe abgewartet bis die ganze Hektik vorbei war.
Mal kurz eine Beschreibung der Abteile. Die haben etwa die Groeße von deutschen Abteilen, haben jedoch keine Tueren. Rechts und links sind jeweils drei Liegen an der Wand angebracht. Ich hatte mir eine Liege ganz oben gebucht, weil sie a) die billigste war und b) hat man mir dazu geraten, da unten und in der Mitte immer die Leute mit ihren Kaesemauken darauf rumstampfen. So war es dann auch. Es ist zwar nicht ganz einfach hoch zu klettern, aber wenn man einmal oben ist hat man seine Ruhe.
Außer den drei Frauen waren noch ein Mann mittleren Alters und ein Mann, der mindestens 150 Jahre alt gewesen sein musste. Er bewegte sich im Zeitlupentempo. Als ich dem Mann mittleren Alters dabei behilflich war das ganze Gepaeck oben zu verstauen, fing der aahle Mann mich an zu zu Texten und ueberhaeufte mich mit Dankesgesten. Als ich ihm zu verstehen gab, dass ich ihn nicht verstehe, sprach er nur noch lauter und gaaaaanz langsam. Die Situation erinnerte mich an Fred Fussbroich (gelobt sei er!), als er auf Kreta mit dem Taxi fuhr und den Taxifahrer auf Deutsch zugeschwallt hat, obwohl er kein Ton verstanden hat. O-Ton Fred: "Siehst Du Annemie, der versteht mich doch"!
Als sich der Zug in Bewegung setzte habe ich mich bald auf einen Hocker im Gang gesetzt, um auf dem Fenster zu schauen. So sah ich schon mal das Vorland von Hongkong. Nach einer halben Stunde hielt der Zug und alle nahmen ihr Gepaeck und stiegen aus. Ich sah dem gelassen entgegen und wunderte mich nur. Ein netter Herr wies mich auf Englisch daraufhin, wir waeren in Shen Zhen und alle muessen mit Gepaeck raus und zur Passkontrolle. Ach so funktioniert das also. Also raus und endlich kam mein China Visum zum Einsatz. Dann wieder rein in den Zug und nach etwa einer Stunde ging die Reise weiter.
Ich blieb am Fenster sitzen und sammelte die ersten Eindruecke von China. Es ist kein Klischee, dass es sehr viele Landarbeiter in China gibt. Alle tragen den typischen China Hut und bestellen winzige Parzellen mit viel Liebe. Dementsprechend akkurat sehen die ganzen Felder aus. Was hingegen nicht so angenehm auffiel, dass unendlich viel Muell vor den Haeusern rum liegt. Die Chinesen haben noch nicht viel von Abfall Entsorgung gehoert. Außerdem sehr viel gebirgige Landschaften, mit einigen Ansammlungen von Haeusern erbaut im quadratischen, kommunistischen Einheitsstil. Eine Menge der Haeuser haben kleine Blattgoldfetzen auf ihren Daechern, so dass sie im Sonnlicht herrlich funkeln.
Nach dem Essen im Zug, konnte ich mir ein großes chinesisches Ruelpskonzert zu Gemuete fuehren. Ob Maennlein oder Weiblein, jeder stimmte ein in das Konzert. Waehrend ich mich immer noch etwas pikiert umschaute, merkte ich dass das keiner der Chinesen wirklich interessierte. Man muss sich wohl noch ein wenig an diese Art der Kultur gewoehnen.
Bei Einbruch der Dunkelheit bezog ich meine Koje. Da bemerkte ich, dass der aahle Mann ein Bett im der Mitte beziehen wollte. Alleine waere das ein unmoegliches Unterfangen gewesen, so hat der andere Mann unter Einsatz seines ganzes Koerpers im mit hoch geholfen. Ich las ein wenig in meinem Buch und als um 22 Uhr das Licht ausging versuchte ich zu schlafen. Leider konnte ich noch nicht einschlafen, da ich die ganze Zeit ueber meine Ankunft in Shanghai nachdenken musste. Leider hatte ich Rene noch nicht erreicht, da er noch in Singapur im Urlaub war. Was sollte ich machen, wenn ich ihn Shanghai auch nicht erreichen sollte. Wo sollte ich hin, in einer 18 Millionen Stadt in der ich mich kein bisschen auskannte und kein Pfennig einheimisches Geld besaß?!
Ich versuchte die Gedanken bei Seite zu schieben und schlief viel viel spaeter ein… bis der aahle Mann mit Getoese den anderen Mann geweckt hat, weil er aufs Klo musste. Dieses Spektakel passierte noch zwei weitere Male in der Nacht. Sonst waren allerdings keine besonderen Vorkommnisse!